Neue Personenehrungen im Stadtbild nicht für Demokratiegegner

08.02.2024
Argument

Zum Versuch, eine Neumünsteraner Straße nach einer Kommunistin zu benennen:

Demokratie ist etwas, wofür wir als Christdemokraten einstehen, die wir verteidigen und die wir schützen. Und die wir an geeigneter Stelle auch mit Stolz hochleben lassen.

Durch kriegerische Auseinandersetzungen und Konflikte nahe der europäischen Grenzen und weltweit ist die Welt zu Beginn des Jahres 2024 so zerrissen, wie lange nicht. Man erkennt deutlich die erneute Zuspitzung auf einen bipolaren Kampf der Wertesysteme: Mit wenigen Demokratien auf der einen Seite und einigen starken demokratiefeindlichen Staaten auf der Gegenseite.

Auch im Kleinen - im kommunalen Umfeld - ist es daher aus meiner Sicht wichtig, deutlich werden zu lassen, dass auch unsere Stadt für ein demokratisches Miteinander eintritt. Das tut der große Teil unserer Ratsversammlung kontinuierlich. Wir wissen uns dabei an der Seite der überwältigenden Mehrheit unserer Einwohnerinnen und Einwohner.

Es gibt wenige Stellen, an denen es die Möglichkeit gibt, Menschen dauerhaft und erinnernd zu ehren. Das ist kommunal bei der Benennung von Straßen, Plätzen oder Gebäuden im öffentlichen Raum der Fall. Namensstifter können prägende Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur oder der Wissenschaft sein. Oder Menschen, die unsere Stadt oder unser Land politisch gestaltet haben. Als Beispiele dafür seien hier der Konrad-Adenauer-Platz, der Franz-Rohwer-Platz, die Legienstraße, die Walter-Lehmkuhl-Schule, die Elly-Heuss-Knapp-Schule, die Max-Johannsen-Brücke oder die Dr. Uwe-Harder-Stadthalle genannt.

In letzten Wochen des vergangenen Jahres ist versucht worden, eine weitere Person durch die Benennung einer Straße in Einfeld zu ehren. Es handelt sich um die Kieler Kommunistin Anni Wadle, die 2002 in Einfeld starb. Ohne Frage ist Anni Wadles Leben geprägt gewesen von ihrem Kampf gegen das Naziregime. Dieser Kampf hatte nachhaltig Auswirkungen auf ihren Gesundheitszustand und hat sie schwer gezeichnet. Diesem Kampf unter Einsatz der eigenen gesundheitlichen Unversehrtheit zolle ich hohen Respekt.

Zugleich ist aber auch deutlich geworden, dass Frau Wadle bis zu deren Verbot der Kommunistischen Partei als Funktionärin diente, um anschließend in der (wegen ihrer Bedeutungslosigkeit nicht verbotenen) DKP weiter zu arbeiten. Die KPD wurde als Gefahr für unsere demokratische Verfassung verboten, nicht zuletzt, weil sie zum „revolutionären Sturz des Regimes“ - gemeint war die demokratisch gewählte Regierung unter Konrad Adenauer - aufgerufen hatte.

In Kiel hat sich eine linksradikale Gruppierung (Selbstauskunft: "linksradikal * revolutionär") an Anni Wadle orientiert und schreibt (ganz aktuell!): "Für alle Menschen, die ein Interesse an radikaler gesellschaftlicher Veränderung haben, die alltäglich Widerstand leisten und für die, die nicht mehr allein aushalten und kämpfen wollen. Auf dass wir gemeinsam zum organisierten Angriff auf die uns umgebenden brutalen Verhältnisse übergehen!" Wer solche Tendenzen heute unterstützt, verkennt die Gefahr von Linksaußen für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung!

Für Einfeld gilt, dass Straßenbenennungen nach Flurnamen vorzunehmen sind. Für besonders herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kann eine Ausnahme gemacht werden. Diese Ausnahme sah die CDU-Fraktion im Fall Wadle als absolut nicht gegeben an. Der Kampf gegen Demokratie verwässert die anerkennenswerte Haltung gegen den Nationalsozialismus. Eine Straßenbenennung aber ehrt das Gesamtlebenswerk, nicht nur Ausschnitte.

Für dieses Gesamtlebenswerk gibt es übrigens nur ein Dokument, auf das sich auch alle Berichte über Frau Wadle beziehen: Die von ihr selbst geschriebene Autobiographie. Ob Max Johannsen es richtig findet, gemeinsam mit ihr im Stadtbild vertreten zu sein?

Die Verwaltung hatte mitgeteilt, dass die ersten Beschlussfassungen von Stadtteilbeirat und Ausschuss nicht den notwendigen Normen entsprachen. Das Aufrollen der Beschlussfassung ist nun als Chance begriffen worden: Der Stadtteilbeirat hat sich auf die gesetzte Regel besonnen, einen Flurnamen ("Rethwiesen") als Namenspatron für die neue Einfelder Straße zu vergeben.

In der dritten Stadtteilbeiratssitzung, in der über die Straßenbenennung diskutiert wurde, soll sich der Sohn von Anni Wadle dazu bekannt haben, sie sei zeitlebens Kommunistin gewesen und geblieben. Ob die Befürworterinnen und Befürworter der Ehrung Wadles den Kommunismus im Einklang mit der parlamentarischen Demokratie und unserem Grundgesetz sehen, blieb dort unbeantwortet. Die Zahl stadtteilfremder Personen in der Sitzung am 25. April war jedenfalls bemerkenswert, das Gebaren einzelner Ratsmitglieder wird gegebenenfalls noch ein Nachspiel haben.

Gut, dass die Debatte über den Wert unserer Demokratie noch einmal geführt werden kann. Auch hier bei uns, in Neumünster.

Ihr Arne Rüstemeier

Hintergrund:

  • Am 28.9.2023 wurde unter dem Tagesordnungspunkt "Mitteilungen" im Stadtteilbeirat Einfeld auf Empfehlung der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Neumünster die fragliche Straße im B-Plan 206 B ("Kreuzkamp/Stubbenkammer") nach "Anni Wadle" benannt. Der Beschluss kam, wie die Verwaltung auf CDU-Anfrage mitteilte, nicht ordnungsgemäß zustande.
  • Am 2.11.2023 entschied der Ausschuss für Bauen, Stadtentwicklung und Umwelt mehrheitlich, dem vermeintlich gefassten Beschluss des Stadtteilbeirats zu folgen (Drucksache 0142/2023/DS)
  • Die CDU-Fraktion hatte  in der Sitzung des Bauausschusses die Rücküberweisung in den Stadtteilbeirat beantragt. Das war aus rechtlichen Gründen versagt worden.
  • Um den Sachverhalt der Entscheidungsfindung abschließend rechtlich zu klären, stellte die CDU-Fraktion nach den Rechtsauskünften eine formelle Anfrage, die am 8.12.2023 beantwortet wurde. In der Antwort wurde auf eine Entscheidung der Ratsversammlung von 2001 referenziert, der Vorgaben für die Straßenbenennungen im Stadtteil Einfeld macht.
  • Durch Schreiben des CDU-Fraktionsvorsitzenden Arne Rüstemeier an den Oberbürgermeister vom 18.12.2023 wurde dieser aufgefordert, dem Beschluss des Ausschusses für Bauen, Stadtentwicklung und Umwelt zu widersprechen, da er normenwidrig zustande gekommen war und schon die Beschlussfassung des Stadtteilbeirats Mängel aufwies.
  • Zwar wurde das Schreiben nicht beantwortet, zugleich wies die Verwaltung aber den Stadtteilbeirat auf die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Befassung hin.
  • In der Sitzung des Stadtteilbeirats Einfeld am 8.2.2024 wurde die Straßenbenennung erneut vorgenommen. Die Straße sollte nun "Rethwiesen" heißen.
  • Der Beschluss war als "Umlaufbeschluss" gefasst worden. Dieses Instrument kennt die Gemeindeordnung nicht; in der Sitzung des Stadtteilbeirats am 25.04.2024 wurde der Beschluss wiederholt und fiel mit Zweidrittelmehrheit für den Flurnamen aus.
  • Abschließend muss nun noch der Ausschuss für Stadtplanung, Bauen und Umwelt den Vorschlag des Stadtteilbeirats am 23.05.2024 bestätigen.

Dieser Artikel wurde am 30.04.2024 aktualisiert.